Neue Errungenschaft:
römischer Antefix

Unsere neue Errungenschaft :

römischer Antefix  (Abschlussschmuckziegel für Dachfirst oder Dachtraufe)
Fundort Wörle, Eich 70er Jahre

Antefix

 

Ein römischer Antefix aus Eich

Stirnziegel, Abschlussschmuckziegel mit Gesicht

Maße : Breite Front : 16 cm
              Höhe  Front : 19 cm
              Tiefe (durch Wölbziegelansatz) : 13, 5 cm

Zeit:  römisch , 2./3. Jh. n. Chr.

Material : gebrannter Ton, gelblich

Fundort: Kieswerk Wöhrle, Gewann Meerwasser, Eich

Herstellungsort : höchstwahrscheinlich römische Keramikmanufaktur in Rheinzabern

Funddatum : Juni 1975 beim Ausbaggern

Verbleib: Januar 1976 erworben von Herrn Reis, Deidesheim,
                  bis Februar 2008 in dessen Besitz
                  seit Februar 2008 erworben durch das Museum der VG Eich, Storchenschulhaus, Gimbsheim

 

Beschreibung und Rekonstruktionsversuch der Herstellung

Der Antefix befindet sich in einem sehr guten Zustand, nur am rückwärtigen Wölbziegelansatz ist ein kleines Stück abgebrochen, die Frontseite, ein 2 - 3 cm starkes Rechteck mit Reliefoberfläche von 16 x 11 cm mit einer 6-stufigen treppengiebelähnlichen Spitze, ist bis auf zwei abgebrochene Zacken in der linken „Giebelhälfte“ völlig unversehrt.
In zentraler Position befindet sich ein maskenähnliches androgynes Gesicht, das von strahlenförmigen kleinen Wülsten umgeben ist, die radial nach Außen laufen. Im unteren Bereich verlaufen 2 wellenförmige Wülste. Den Kopf schmückt eine sehr aufwändige Frisur, dicke, rastaähnliche, nach hinten geflochtene Zöpfe und kinnlange offene Haare zu beiden Seiten. An der Stirnpartie gehen die Zöpfe in die Strahlenwülste über, was dem Gesicht etwas Sonnenartiges, aber auch Medusenhaftes verleiht. (Neben Pflanzenornamenten zierten Köpfe von Fabelwesen und Göttern Antefixa recht häufig, Medusa ist ein weibliches Ungeheuer mit Schlangenhaaren, ihr Blick lässt Feinde zu Stein erstarren).
Die Augenpartie ist tief eingesenkt, Lider und Augäpfel sind erhaben aufmodelliert. Die Wangen sind sehr markant und umschließen die Augenhöhlen und Nasenpartie scharfkantig.
Ein schönes Detail, das viele Rückschlüsse auf die Herstellung zulässt, ist die Nase:
Der Schmuckziegel ist für ein Unikat viel zu aufwändig modelliert.  Es muss sich um einen Abdruck aus einer Model, wahrscheinlich aus Ton, handeln, mit der der Antefix beliebig oft vervielfältigt werden konnte. Auf der Frontseite weist der Ziegel keinerlei Untergriffigkeiten auf, was eine Vervielfältigung mittels Model beweist. Die Nase hatte sich offensichtlich nicht gut aus der Form gelöst, der römische Handwerker wollte den Ziegel aber nicht wieder einstampfen und setze die Nase mit einem kleinen Tonwulst recht grob nachträglich auf, um den Ziegel zu retten. Sehr schön sieht man Fingerabdrücke an den langen geraden Nasenflügeln und einen präzisen Abdruck einer Fingerkuppe, Daumen oder Zeigefinger, unten am rechten Nasenflügel. Der Ansatz im Stirnbereich wurde nicht mehr verschmiert. Die Nase ist also grob und zügig, aber fachgerecht nachmodelliert worden.  Auch in der Mundpartie ist eine Wischspur eines Fingers zu erkennen. Der Handwerker hinterließ 5 weitere Fingerabdrücke hinten im Inneren des halbrunden Deckziegels.

Nachdem die zirka 2 cm starke Schmuckplatte abgeformt war, wurde sie eventuell kurz getrocknet, um sie für die Montage an den gewölbten Ziegel etwas stabiler zu machen. Die Zacken des „Treppengiebels“ wurden mit einem Messer nachgeschnitten. Der gewölbte Ziegel wurde angesetzt, von Innen und Außen grob mit den Fingern an der Schmuckplatte festgeschmiert. Eine andere zeitsparendere Montagemöglichkeit wäre, den kurzen Wölbziegel bereits anzusetzen, während die Schmuckfront noch in der Model liegt. Die Art der Verschmierung auf der Rückseite würde dies nahe legen. Es kann auch  kein Zufall sein, dass die Ansatzstelle mit der Kopfform der Vorderseite korrespondiert, sie scheint die Kopfform hinten weiterzuführen, was dem Antefix in der Museumsvitrine etwas Sphinxhaftes gibt. Die Schmuckplatte hat eine leichte Neigung nach Vorne, sie ist auf Untersicht gearbeitet. Der halbrunde Deckziegel ist auf der rechten Seite bis zur Mitte auf  7 cm Länge sauber abgeschnitten, die linke Hälfte muss - warum auch immer- etwas länger gewesen sein, hier befindet sich eine Bruchkante von 6 cm , die fast 10 cm tief ist, der untere Teil der Wölbung ist abgebrochen und nur noch 5 cm tief. Die 7 cm der rechten Seite hätten für die Überlappung und Montage mit einem darüberliegenden gewölbten Deckziegel gereicht, die verlängerte linke Seite erscheint etwas rätselhaft.
Der Antefix besteht aus sehr grobem, mit bis zu 1 cm großen Kieselsteinen und Sand gemagerten Ton, der seiner gelblichen Farbe nach mehr Kalk als Eisen enthält,  Flussschlamm, wie er im 19. Jahrhundert von den Backsteinmachern verwendet wurde. Die kleine Unebenheit im Haarbereich rechts entstand wahrscheinlich schon vor oder während des Brennvorgangs durch eine möglicherweise organische Verunreinigung im Ton. Die Brennfarbe ist ein gelbliches Beige mit wenigen rötlichen Schlieren.
Nach der Trocknung in der Sonne oder in Ofennähe wurde der Antefix gebrannt, das Exemplar des VG-Museums war allerdings nur sehr geringen Brenntemperaturen ausgesetzt, was auf einen ungünstigen Platz im Ofen oder sogar auf einen Fehlbrand schließen lässt. Schätzungsweise ist er bei maximal 600 °C gebrannt worden, um die 900°C wären erstrebenswert gewesen. (Die Brenntemperatur lässt sich an Farbe, Klang und Konsistenz abschätzen).
Hergestellt wurde der Antefix höchstwahrscheinlich in einer Ziegelmanufaktur in Rheinzabern und dann über den Rhein oder den Landweg (beides mühsam) nach Eich transportiert. Rheinzabern war auf Grund seiner günstigen Infrastruktur und der guten Tonvorkommen die zentrale Produktionsstätte der Römer für Baukeramik und Terra-Sigillata nördlich der Alpen.
Der Antefix ist ein Bauschmuckelement, wahrscheinlich einer Villa Rustica zugehörig, die wahrscheinlich im 2. oder 3. Jahrhundert nach Christus errichtet wurde. Nach Jens Dolata sind Antefixa sehr seltene Funde, da Antefixa Sakralbauten, also Tempeln vorbehalten waren, laut Wikipedia waren sie auch an Profanbauten zu finden. Das Bauwerk stand auf  Eicher Gemarkung, in der Nähe des Meerwassers im heutigen Kiessee Wöhrle. Nach Ronald Knöchlein war der römische Rheinverlauf dem heutigen sehr ähnlich, zwischen 500 und 1500 war der Eich-Gimbsheimer Altrheinarm eher eine Rheinschlinge, also schiffbar und Hauptfluss. Im Zuge dieser Flussverlagerung könnte der Bau, den der Antefix schmückte, zerstört und /oder abgeschwemmt worden sein.
Es ist erstaunlich, dass sich der Antefix trotz seiner niedrigen Brenntemperatur über 1800 Jahre so gut erhalten hat,  er muss von Wasser und Kies und günstigen Umständen vor Frost und Witterungseinflüssen geschützt, völlig gleichmütig überdauert haben.

Christine Hach