Eröffnungsrede zur Gruppenausstellung
"Heimat"
gehalten von
Christine Hach



Die Heimat ohne Kitsch–Rede von Christine Hach 10.1.2016

Liebe Mitaussteller, liebe Museumsbesucher, Sie kommen hier rein, und sehen was , und denken, Mensch,
das kenn ich doch, schon Heimat. Oder Sie sehen was , und denken , was soll das denn hier, ganz
einfach : innere Heimat , was Persönliches.2 Begriffe sind zu klären, Heimat, klar, und außerdem Kitsch.
Die „ohne“- Ausstellungen sind seit ORANGE ohne Sonnenuntergang völlig salonfähig, auch deshalb die Kitscheinschränkung.

Kitsch zu definieren, ohne zu verbiestern, ist schwer. Die Kitschtoleranz ist auch geografieabhängig und in südlicheren Ländern eher großzügiger bemessen, wogegen bei uns alles, was mit Gefühl + Herz-Schmerz in Verbindung gebracht wird und dann auch noch irgendwas mit Kunst zu tun haben soll, schnell in die Tonne getreten wird. Und vielleicht sollten wir unsere ästhetische Toleranz auch mal überprüfen. Aber Kitsch war ja hier verboten,. Also verboten war ganz konkret der röhrende Hirsch, der Gartenzwerg, der Dreschflegel, die Weinromantik, + bestimmt noch viele andere böse Dinge, dafür haben sich jetzt ein paar Sonnenuntergänge, die letztes Jahr verboten waren, eingeschlichen. Also müssen Dirndl und Zwerge einfach nur bis nächstes Jahr warten….für 2017 planen wir grau …aber zurück zu den Verboten, die sind dazu da, hinterfragt und gegebenenfalls ignoriert zu werden. Mann kann sich jetzt also genüsslich auf die Kitschsuche machen. Viel Spaß.

„Heimat ist ein kitschiges Gefühl“ heißt das Bild von Dieter Renk gleich hier vorne.

Er hat mir den Titel erst später verraten. Und Rosa ist auch keine kitschige Farbe .Oder ?

Und dann Heimat. Ein Begriff , den es nur im Deutschen gibt, der sich nur superschwer und ungenau in andere Sprachen übersetzten lässt. „home“ oder „ home sweet home“ trifft es nicht so ganz , und probieren sie es mal auf französisch „mon pays“ oder „ma patrie“ sind auch nicht grade die Brüllerübersetzungen. Und das sind jetzt unsre Sprachnachbarn, die offensichtlich kein Wort für Heimat brauchen. Warum brauchen wir hier in Deutschland Heimat ? Warum ist Heimat grade wieder so richtig modern + salonfähig und werbewirksam ? Alles Mögliche wird mit Heimatflair beworben. Produkte, die Kindheitserinnerungen und alle möglichen Sehnsüchte befriedigen können. Was ist das Supertypische, das genau von dem Quadratkilometer kommt, wo man zufällig geboren wurde oder sich aus irgend einem Grund zu Hause fühlt ? Allem Anschein nach hätte man gern etwas Besonderes, das die eigene Individualität nur auf Grund der regionalen Herkunft hervorhebt. Dabei muss Heimat nicht an eine Region gebunden sein, auch wenn das fast immer die erste Heimatassoziation ist, HEIMAT OHNE KITSCH stellt viele verschiedene Heimaten vor.

Die regionale , die innere ,die politische, die zerstörte, die verlorene…..

Es ist wieder eine Mammutausstellung geworden, wir bespielen alle Ausstellungsräume samt dem Museumshof , wir haben 150 Teilnehmer ,und diesmal habe ich nicht gezählt, vermute aber, dass wir um die 300 Exponate zeigen, die alle irgendwie was mit Heimat zu tun haben und die Bandbreite ist immens, vom Heimatschinken in Öl bis zur Klanginstallation, einer Dokumentation aus Syrien , Trickfilmen von 9 Somaliern und Schülern der Regionalschule Eich, Fundstücken aus dem Rhein, der Akton Wingertknorzen von 18 Mettenheimern, wunderschönen Landschaftsfotos, Arbeiten von Kindern, von Profis, von Laien. Außerdem ist HEIMAT OHNE KITSCH die internationalste Ausstellung, die wir bislang hatten, wir waren ja immer schon stolz auf die weltweite Beteiligung bei unseren Ausstellungen im schönen Gimbsheim, aber jetzt ist die Welt zu uns gekommen und dass wir jetzt viele Flüchtlinge aus den verschiedensten Ländern auch in der Verbandsgemeinde Eich haben, wird in dieser Ausstellung gespiegelt. Sie machen mit.

Aber noch mal, was ist Heimat ?

Es scheint ein Urbedürfnis zu sein, irgendwo dazu gehören zu wollen, sich irgendwo zu Hause zu fühlen. Wahrscheinlich ist das Heimat. Es muss viel mit Kindheit und Erinnerungen zu tun haben, die man bestenfalls mit Leuten, die man gut leiden kann , teilen kann.

Ein Zimmer, ein Haus , ein Ort, eine Landschaft, die einem lieb geworden sind, die einem vertraut sind. Wo man sich auskennt und die Sprache versteht und das Essen schmeckt. Wo man sich wohl fühlt und verwurzelt ist. Wo man Freunde und Familie hat.

Etwas, das man, wenn man fortgehen müsste, vermissen würde. Wonach man Heimweh hätte. Und es macht einen immensen Unterschied, ob man gehen möchte oder gehen muss.

Und das ist genau das, was den ganzen Flüchtlingen passiert ist, und was das mit einem macht, kann in vollem Umfang nur der nachempfinden, der in der gleichen Situation ist.

Sich im Erwachsenenalter eine neue Heimat aufzubauen, wird auch dadurch nicht erleichtert, dass man ja oft gar nicht weiß, wie lang man bleiben kann, eine Transitheimat ist keine Heimat, und ab wann lohnt es sich, an einem potentiellen Zwischenstopp Wurzeln zu schlagen, die nicht von selbst und nur mit Mühe wachsen ?

Die verlorene Heimat, die zerstörte Heimat ist in HEIMAT OHNE KITSCH tatsächlich ein Schwerpunktthema geworden und trifft den Nerv der Zeit. Die somalischen Filme und die Arbeiten von Houda Alhamd , Gassan Shhab, Suleiman Mohammad Saleh, Wilfried Saur , Karlheinz Günther , Monika Rudzki , Thomas Brenner , und einigen anderen spiegeln das aus den verschiedensten Perspektiven.

Trotzdem ist HEIMAT OHNE KITSCH eine alles andere als deprimierende Ausstellung . Es gibt ja verschiedene Heimaten, flexible Heimaten sozusagen,“ Heimat to go“ , in“ Tütenheimat“ von Roland Zehetmeier zum Beispiel oder „Home is where my heart is“, die Herzkammern von Doris Kohn . Da müsst ihr euch einfach mal trauen, die Schubladen aufzumachen, da sind supersüße Herzchen drin und die danebenhängenden Herzbilder sind auch fast völlig kitschfrei. . Heimat „to go“ bietet auch der Tangaman, der sein Haus einfach durch die Gegend trägt. Oder Marc Chagall, der grade ein Haus verspeist, auch für HEIMAT OHNE KITSCH haben wir wieder Promis für ein bisschen mehr Glamour ausgeliehen.

Aber zurück zu den Häusern. Das Haus ist das magische Bild für Heimat, bei unserem Quiz für Kinder und ausgewählte Erwachsene mit gigantischen Gewinnchancen wird es diesmal um die Anzahl der Häuser in HEIMAT OHNE KITSCH gehen. Wir haben viele. Grade für Kinder ist das Haus enorm wichtig. Da hinten hängt ein Bild von Aya , sie ist 7 , kommt aus Syrien und wohnt jetzt in Alsheim, das Haus, das sie gemalt hat , ist mit Giebeldach, sehr deutsch . In Syrien gibt es nämlich fast nur Flachdächer.

Weitere Giebeldachhäuser gibt es zum Beispiel im Heimatarchäologieraum in 3D von Maximilian Rehn aus Gimbsheim. Der ganze Archäologieraum ist ja Heimat , also der Anfang von Heimat hier, als die Franken auf dem Durchzug merkten, dass es hier ja eigentlich ganz schön ist und daraufhin Gimbsheim, Alsheim, Mettenheim und Eich und Hamm gründeten , Merken Sie , dass Eich + Hamm ein Problem haben, irgendwie ist die typische fränkische Ortsnamensendung –heim verloren gegangen oder nie dagewesen….

Aber dafür taucht die Endung um so fetter in dem Filmprojekt Alsheimat , das Dorle Voigt mit Schülerinnen und Schülern gemacht hat ,wieder auf. Kann man oben in unsrer Videolounge unterm Mammut ganz gemütlich im gut geheizten Eiszeitraum anschauen , zusammen mit verschiedenen anderen Filmprojekten, verpassen Sie auf keinen Fall den somalischen Film „nicht aufgeben“ über den Radweg von Eich nach Gimbsheim, die Dokumentation über die nordsyrische Stadt Jisr Al-Shugour und die irre Klanginstallation “ Land der Glückseeligkeit“ von Bernd Thewes , eine definitiv innere Heimat mit irre schöner Musik. Die jeweiligen Sendezeiten sind oben unterm Fernseher angeschrieben.

Wir wehren uns ja heftigst dagegen, als Heimatmuseum bezeichnet zu werden, das klingt einfach so verstaubt und ist außerdem wegen Kitschgefahr besonders momentan streng verboten.

Aber Rheinhessen, das ist besonders momentan völlig angesagt, zum 200. Geburtstag bekommt es viele Bücher, Feiern und Ausstellungen und auch HEIMAT OHNE KITSCH kommt um Rheinhessen nicht ganz herum. Rheinhessen ist ja vielseitig, mit der Rheinhessischen Schweiz und der Rheinhessischen Toskana ,was ja auch irgendwie merkwürdig ist, oder haben Sie schon mal was vom finnischen Rheinhessen gehört ? Rheinhessen meint hiervor allem das Naturschutzgebiet Altrhein, den Rhein, wunderschöne Hohlwegen am Fuß der Weinberge, die dann flurbereinigt quadratkilometerweise ohne einen einzigen Baum auskommen, graubraune, öde matschige Flächen, die besonders im rheinhessischen Winter auf den sanften leeren Hügeln und besonders bei uns im Rheintal extremer Heimatliebe bedürfen , um dieser morastigen unwirtlichen Ödnis irgendetwas abzugewinnen. Es ist wunderschön hier, man muss aber kucken , wo man hinkuckt. Und Biblis ist überall. Landschaftsprägend sind hier das AKW und die Windräder, auf unzähligen Arbeiten taucht das Atomkraftwerk im Vorder- oder Hintergrund auf, Biblis ist einfach überall. Und die Windräder haben jetzt die Vertikalgliederung der ohnehin schon immer spärlichen Bäume übernommen. Heimat muss nicht nur schön sein, mit Heimat darf man auch kritisch umgehen.

Und Heimatliebe ist ein Begriff , mit dem die Nazis Schindluder getrieben haben und der einem hier seitdem nicht mehr ohne weiters über die Lippen kommt, zu sehr kommt da Blut und Boden , Heimatfilm und Deutschtümelei ins Hirn. Heimat ist also ein sehr deutscher Begriff , mit dem Deutsche Schwierigkeiten haben und den sie vielleicht sogar manchmal peinlich finden.

Dabei zeigt HEIMAT OHNE KITSCH deutlich , dass es nicht um Vergangenheitsverklärung geht, das finde ich nämlich immer das entlarvendste, wenn mit alten Stadt-oder Dorfansichten für Tourismus oder Heimatgefühl geworben wird, und diese nostalgischen Stellen längst mutwillig dem städtebaulichen Fortschritt zum Opfer gefallen sind und es dort inzwischen aussieht wie überall. Wieder ein Stückchen Heimat kaputt.

Heimat, die nicht so schnell kaputt gemacht wird, muss man in sich tragen, eine private Miniheimat, die an keinen Ort gebunden ist. Auch dafür gibt es hier einige Beispiele, die Einblick in Privatsphäre ohne Voyeurismus gewähren. Die Heimathängematte von Dieter Renk zum Beispiel, ein Ort , wo man sich einfach wohl fühlt.

„Fingerprints“ ist eine Arbeit, die hier im Museum zusammen mit Museumsbesuchern und Flüchtlingen entstanden ist ,die Installation befindet sich oben im Archäologieraum auf den Resten unserer fränkischen Schiffsmühle, und sie spielt mit vielen Assoziationen. Es sind ungefähr 70 Handabdrücke, weißglasiert auf schwarzem Ton, die an Röntgenbilder oder Geisterhände erinnern. Alle Flüchtlinge mussten oft mehrfach und zwar bei jeder Registrierung in jedem Durchreiseland ihre Fingerabdrücke abgeben und ein Fingerabdruck im einem Land war immer mit der Angst vor Abschiebung oder Rückführung in das erste Aufnahmeland verbunden. Die Schiffsmühlreste sehen aus wie ein Schiffswrack.

Bei unsrer Museumsweihnachtsparty wurden alle Finger freiwillig in Ton gedrückt und jetzt sind alle in einem Boot. Zu dieser Arbeit kann man sich viel heimatliches überlegen.

Zum Schluss möchte ich mich bei Laki aus Eich und Somalia bedanken, dass ich ihr Portrait fürs Ausstellungsplakat nehmen durfte, Lakis Portrait auf dem Eicher Kirchturm, im Hintergrund die Gernsheimer Chaussee und der Melibokus, fasst für mich viele Heimataspekte zusammen. Einmal sind für uns Kirchtürme identitätsprägend, gerade im Rheintal sieht man sie schon von weitem und kann daran sein Dorf erkennen. Auf dem Kirchturm hat man einen Rundumblick auf Heimat und kann sein Haus und Lieblingsplätze verorten. Auch Laki hat sofort nach ihrer Wohnung Ausschau gehalten und vielleicht wird Eich für sie mehr als eine Transitheimat.

Jetzt kommt der große Schlussdank:

Mitgeholfen beim Aufbau von HEIMAT OHNE KITSCH haben Carola Seehausen, Suleiman Mohammad Saleh ,der mit mir auch stundenlang fingerprints glasiert, gefärbt und abgewaschen hat ,Willi Herwig , Stefi Muth, Katharina Schmiedel, Hartmut Nofflke, Rainer Rühl und Karlheinz Günther und Gunter Mahlerwein. Ihr wart ein super Aufbauteam. Außerdem möchte ich mich bei allen bedanken , die ihre Hilfe angeboten haben, es ist gut zu wissen, dass man auf Hilfe zurückgreifen kann.

Bedanken möchte ich mich beim SWR, der uns gleich mit 2 Beiträgen in Landesart und Landesschau aktuell bedacht hat , außerdem der Wormser Zeitung und der Regionalpresse, die uns alle zu lieben scheinen.

Danke an die AWO Hamm , die heute das Heimatcafé Kay schmeißt und heimatliche Schwarzwälderkirsch und so weiter für euch gezaubert hat. Die beiden oberen Räume sind heute auch als Café nutzbar.

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Die Ausstellung ist eröffnet.