Eröffnungsrede zur Gruppenausstellung
"GRAU"
gehalten von
Christine Hach



GRAU Rede von Christine Hach, 15.1. 2017

Liebe Museumsbesucher,

außer dem Kuchen im Museumscafé sollte hier + heute möglichst alles oder doch viel GRAU sein. GRAU war übrigens keine Verlegenheitslösung, so weil uns gar nix mehr anderes eingefallen wäre,

über Grau lohnt es sich nachzudenken , wir haben es mit Bedacht ausgewählt und der unscheinbaren Farbe vor everybody´s darling blau oder grün den Vorzug gegeben. In der Skala der Lieblingsfarben dürfte GRAU so ziemlich an letzter Stelle stehen, bei Kindern sowieso , und wenn irgendwas als Unfarbe oder unbunt durchgeht , dann ist es GRAU.

GRAU hat ein unverdient schlechtes Image, schon der Wetterbericht früh morgens kündigt uns mal wieder einen grauen Tag an, so fast entschuldigend, Morgengrauen klingt alles andere als vielversprechend, mausgraue Typen muss man gar nicht erst aufreißen und es graut einem vor allen Horrorszenarien der Welt, keine andere Farbe muss für so was herhalten.

Und dabei ist GRAU alles zwischen weiß und schwarz, unendlicher Stretch zwischen Extremen. Also auch ein bisschen unentschieden, unauffällig und dezent. Ein Zwischenton. Als Jahrzehnt würde GRAU wohl die 90er oder auch noch die frühen 0er Jahre zugesprochen bekommen, edles Anthrazit in Kombi mit Weiß geht für Wände und Fußböden besonders in dieser Zeit und für Damen + Herrenkonfektion immer, da kann man nichts falsch machen, der graue Anzug, das graue Kostüm für den grauen Alltag, immer korrekt.

GRAU ist wie blau eine nonfood-Farbe, Wenn es nicht Leberwurst heißt , sollte Essen nicht grau sein, es scheint ein Urinstinkt zu sein, sich graue Sachen nicht einfach in den Mund zu schieben , sondern wenigstens erstmal auf Behaarung zu prüfen. Als Adjektive hat man dem GRAU im Deutschen grausam, grauenvoll oder grausig zur Seite gestellt, rosa wäre das nicht passiert.

Aber was wäre die Welt ohne GRAU, uns würden die ganzen Zwischentöne fehlen, die die Bonbonfarben erst erträglich machen. Orange hatten wir vor 2 Jahren als Wunderwaffe gegen Winterdepression, , diesmal müsst ihr in die Apotheke oder bei uns genauer hinsehen.

Genau hinsehen ist fast immer eine gute Idee, , einige Arbeiten sind quadratmetergroß und kaum zu übersehen, andere sind winzig und zwischen den römischen Scherben in den Vitrinen des Archäologieraums versteckt. GRAU hat ungefähr 160 Teilnehmer und ebenfalls ungefähr 300 Exponate, ich habe irgendwann aufgehört zu zählen.

Vielleicht achten Sie mal auf die Besonderheit der Hängung, dass die kombinierten Werke sich in ihrer Wirkung steigern, ist sowieso zu hoffen, aber wie gut zum Beispiel die Taucher vom Tauchclub Atlantis nur wegen der Gesichtsmasken mit den Giftgaskämpfern zusammen gehen, finde ich immer wieder erstaunlich, oder wie die Totenköpfe sich quer durch den Raum zu verständigen scheinen, und außerdem begleiten Sie diverse Dickhäuter durch alle Räume , nebst Mäusen in diversen Zuständen.

Noch ein Wort zu der Besonderheit der Jahresausstellungen des VG-Museums: Wir haben immer eine große Altersspanne der Teilnehmer, der jüngste Teilnehmer ist 5 und aus Aleppo, der Älteste lebende Teilnehmer ist 90 und aus Worms. Einige der Teilnehmer und Teilnehmerinnen sind professionelle Künstler, deren Arbeiten Sie sonst nur in Galerien oder Kunst-Messen sehen würden, andere haben andere Lebensschwerpunkte, beschäftigen sich aber mit Kunst oder hatten gute Ideen zu Grau. Wir haben Teilnehmer aus 10 Nationen/Ländern, und wir alle können jetzt sagen, einmal mit Josef Beuys ausgestellt zu haben, dessen Werk hier wirklich unscheinbar aber anrührend ist. Wir halten Bürokratie klein und jurieren niemand aus, es wird aber über den Beitrag verhandelt.

Die sprichwörtliche „GRAUE Maus“ werden wir hier auch strapazieren, unter der GRAUEN Maus der Woche“ werden wir ein Kunstwerk vorab ankündigen und vorstellen + ich werde dann in meinen 3 Uhr Führungen besonders auf die Graue Maus der Woche eingehen.

GRAU ist nicht so nebenbei zu konsumieren, es braucht Zeit und Einfühlungsvermögen, der Tristesse des Alltags etwas abgewinnen zu können. Oder dem Grauen. Diese Ausstellung ist nichts für Menschen mit Schlangen, Mäuse- Ratten – Totenkopf oder Staubphobien, bitte einfach Begleitschutz mitbringen. Immer wieder werden Ihnen diese Spezies in unseren Räumen begegnen- an unerwarteten Stellen. Wir haben diesmal volle 9 Tage damit verbracht , alle Arbeiten zu sichten , viel zu rahmen und einen möglichst optimalen Platz in unseren 5 Räumen zu finden. Geben Sie sich und GRAU also ein bisschen Zeit.

Wenn Orange ohne Sonnenuntergang eine besonders fröhliche, peppige Ausstellung war und Heimat ohne Kitsch im letzten Jahr eine besonders politische Ausstellung, was ist dann GRAU ?

GRAU ist definitiv langsamer und oft geht es um ganz unscheinbare Alltagsdinge, wehende Vorhänge, öde Straßenszenen, Industrieanlagen , Gitterroste, Gullis, Schatten, Herbst- und Winterstimmungen, aber Langeweile müsst Ihr selbst mitbringen.

Wie die Vorgängerausstellungen Sumpf oder Heimat ist auch GRAU ein Zeitdokument, das auch zu Weltpolitik Stellung bezieht. Aschgrau sind die kriegszerstörten Städte und Weltkulturerbestätten in Syrien und Afghanistan, grauer Kriegsalltag ist anderswo Normalität geworden, grau können aber auch Erinnerungsfotos aus der alten Heimat rüberkommen, denn GRAU ist weltweit überall. Auffällig ist, wie sehr Neue Medien Fotoqualität auch verschlechtern, zur Massenverbreitung sind viele Fotos so komprimiert, dass ein Papierabzug am besten Briefmarkengröße hätte. Immer wieder finden Sie diese kleinen Fotos aus der zerstörten oder noch heilen alten Heimat versprengt in GRAU.

Wie auch im letzen Jahr haben sich diesmal wieder viele Geflüchtete bei der Jahresausstellung beteiligt, was man an den vielen für uns fremd klingenden Namen , meistens unter „A“ sehen kann. Noch eine Besonderheit gibt es in diesem Jahr: unser neuer syrischer Museumsmitarbeiter Suleiman Alfroh machte mich auf seine ehemalige Mitstudentin Huda Asfour aufmerksam, die in einem Therapiezentrum in Jordanien ihre Kriegsverletzungen zu bewältigen versucht und im Rahmen von Kunsttherapie auch malt. In ihrem Fall müssen die Bilder nicht ganz so grau sein, wir hoffen, sie mit der Aktion „Huda will auf eigenen Füssen stehen“ unterstützten zu können, wir bieten einige ihrer Gemälde und Modeschmuck zum Kauf an, viele Grauteilnehmer stifteten Werke für Huda oder beteiligten sich bei x % für Huda, die im Verkaufsfall an Huda abgegeben werden. Es besteht also Gelegenheit, für einen guten Zweck GRAUE Kunst zu kaufen, lasst Euch nicht abhalten.

Mein großer Dank geht an unseren Fips , an den Filmemacher Wilfried Saur aus Osthofen, der sich sofort bereit erklärt hat, die arabischen Dokumentarfilme aus dem jordanischen Fernsehen über Huda zu kürzen und eine deutsche Übersetzung einzuschneiden. Der Film ist während der ganzen Ausstellung im Eiszeitraum zu sehen.

Das große Danke geht weiter an unser wunderbares Aufbauteam, jede Galeere , jedes Kreativunternehmen würde sich um uns reißen, wir arbeiten aber nur hier für euch und dieses Museum. Danke an Hartmut Noffke, Stefi Muth, Carola Seehausen, Gabi Holla, Suleiman Alfroh ,Seth Colin und Andreas Wollenweber und danke auch an eine Reihe von Leuten , die sich zum Helfen bereit erklärt haben, es ist immer gut zu wissen, dass noch weitere Unerstützung da ist .

Danke an Gunter Mahlerwein für viel unsichtbare Hintergrundsarbeit, + Willi Herwig für alles mit Computer.
Danke an die Flötendamen mit 50 Shades of GREY.

Danke an die graugekleideten Damen der AWO Hamm, die heute das Museumscafé betreiben, der Kuchen ist unschlagbar und nicht grau und ihr verpasst was wenn ihr nach den 5 GRAU-Räumen das Museumscafé Kay nicht findet. Das Café wurde extra für heute auf die 2 oberen Räume ausgeweitet. Auch da kann man schön Kaffee trinken.

Ich wünsche GRAU viele Besucher und der Aktion „Huda möchte auf eigenen Füssen stehen“ viel Erfolg.

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Die Ausstellung ist eröffnet.